Negativitätsverzerrung
Negativ ist zur Zeit positiv. „Bleiben Sie negativ und denken Sie positiv!“ – ist ein schöner Ratschlag, den wir uns in diesen Zeiten wirklich zu Herzen nehmen können.
Aber das ist leichter gesagt als getan. Und zwar wegen der „Negativitätsverzerrung“!? Dieser Begriff lief mir letztens über den Weg und hat mich interessiert.
Was bedeutet er? „Negative Emotionen wie Enttäuschung und Angst haben einen größeren Einfluss auf uns und halten länger an als positive Emotionen. Wenn Sie jemand sind, der mehr Zeit damit verbringt, über störende oder trostlose Ereignisse in Ihrem Leben nachzudenken, als über erhebende Ereignisse, dann wissen Sie, dass Sie nicht allein sind – dies wird als Negativitätsverzerrung bezeichnet und betrifft die meisten Menschen.“ (Doktorstuben.de)
Woher kommt das? Die meisten Forscher*innen glauben, dass das ein Ergebnis der Evolution ist. Diese Haltung hat unseren Vorfahren zum Überleben geholfen. Aus den Gefahren mussten sie mehr als wir lernen, wie sie zu vermeiden oder zu überwinden sind, um nicht unterzugehen. Deshalb beschäftigten sie die negativen Erfahrungen mehr als die positiven. Und wir haben das geerbt. (vgl. Doktorstuben.de)
Nun sind die Zeiten heute aber andere. Und wir haben ja gerade Ostern gefeiert. Die Überwindung des Todes durch das Leben. Die Negativität hat nicht das letzte Wort. Kann uns unser Glaube helfen, diese uralte Tendenz in uns zu überwinden - wenigsten immer wieder mal - , um mit Vertrauen und Zuversicht ins Leben zu schauen?
An Ostern habe ich vor dem Hintergrund des Misereor Hungertuchs Auferstehung als ein Ereignis bezeichnet, das goldene Fäden in unser Leben hinein webt. Goldene Fäden, gute Erfahrungen, die gelten und uns tragen und eine Perspektive geben gerade auch in den schwarzen Tagen, die uns Kraft und Lebensenergie kosten.
Bis Pfingsten sind wir noch in der Osterzeit. Wir haben noch ein paar Wochen Zeit, diese goldenen Fäden in unserem Leben zu entdecken und auf uns wirken zu lassen, so vielleicht die Negativitätsverzerrung zu überwinden und dem Leben zu trauen. So wird Auferstehung dann auch für uns selbst zu einer lebendigen Erfahrung.
Thomas Schmidt
Liebe Leserin, lieber Leser,
haben Sie einmal gezählt, wie oft am Tag das Wort „Corona“ fällt? Im Radio, im Fernsehen, in Gesprächen am Telefon, draußen beim Spazierengehen hören wir davon, in der Zeitung, im Internet lesen wir davon. Und die Mund-und Nasenschutzmaske, der Abstand, das Hände waschen, der ggf. Impftermin erinnern uns zusätzlich an dieses Virus.
Und mal ganz ehrlich? Wie reagieren Sie persönlich, wenn Sie das Wort „CORONA“ hören?
Genervt, frustriert, „Mütend“, überfordert, hilflos, unsicher, ängstlich, einsam, dankbar …
Die Situation rund um Corona hat sich niemand von uns ausgesucht – wir alle müssen lernen, dies anzunehmen und in unser Leben, in unseren Alltag zu integrieren.
Ja, das ist nicht einfach und dennoch notwendig, um daran nicht zu zerbrechen.
Und jede/r von uns hat damit ein eigenes Päckchen zu tragen, welches seine Stärken und Schwächen hat: Familien, Kinder und Jugendliche, Singles, Paare, ältere Menschen, …
Und wünschen wir uns nicht immer genau das, was wir gerade nicht haben?
Das Leben ist jedoch kein Wunschkonzert. Wir wachsen und reifen an den Herausforderungen des Lebens.
Und besteht nicht auch die Chance darin, die Aufmerksamkeit auch auf das Neue, das Gute darin zu lenken?
In Einzelgesprächen unterschiedlichen Alters höre ich immer auch wieder von den besonderen Momenten: Zeit, gemeinsam zu Mittag zu essen, Zeit, gemeinsam raus in die Natur zu gehen, Zeit, miteinander zu sprechen, …
Zeit – wir sollten uns diese Zeit nehmen und die schönen Momente als Ressourcen für unseren Alltag erkennen und daraus Kraft schöpfen für das, was durch Corona schwer für uns geworden ist.
Corona führt in meinem Arbeitsalltag zu viel Veränderung und Kreativität. Chancen, für die wir vermutlich noch Jahre, Jahrzehnte in der Kirche gebraucht hätten.
Ich möchte Sie zu einem Perspektivwechsel ermutigen.
Ich bin der Meinung, das jammern, klagen ihre Berechtigung haben dürfen, jedoch nicht ausschließlich unser derzeitiges Leben bestimmen sollten.
Was hat sich durch Corona in Ihrem Alltag, Ihrem Leben verändert. Beide Seiten gehören dazu und möchten angeschaut werden. Lenken Sie den Blick gerne auch auf das Gute, …
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Woche.
Bleiben Sie gesund. Herzliche Grüße aus Nied, Ihre Verena Nitzling
Triduum paschalis – Kurzfassung des Lebens
Liebe Leserinnen und Leser,
endlich wieder Ostern feiern. Auch wenn es nur ein Jahr war, in dem wir Ostern nicht mit Gottesdiensten voller Begegnungen und Austausch feiern konnten, war es doch eine Erleichterung, zu hören, dass wir dieses Jahr wieder Gottesdienste an Ostern feiern können. Auch wenn bei weitem nicht das möglich war, wie wir gewohnt sind und lieben gelernt haben, waren es dennoch schöne und begeisternde Tage.
Gründonnerstag mit der Einsetzung der Eucharistie, die wir seit 2000 Jahren jeden Sonntag wieder begehen und empfangen. Mit Jesus in den Garten Getsemani gehen und in der Nacht die eigene Verzweiflung und die Angst vor Gott bringen konnten.
Die Angst, die an Karfreitag zur Gewissheit wird, indem wir Jesus an seinem letzten Tag begleiten, miterleben, wie er verleugnet, verurteilt, verspottet, verhöhnt, gedemütigt und schließlich gekreuzigt wird. Die Gewissheit, miterleben zu müssen, dass Jesus den letzten Atem aushaucht und stirbt. Die Trauer, der wir bei der Grablegung Raum geben und seinen Ausdruck findet im übermenschlich schweren Stein, der vor das Grab gerollt wird.
Die Grabesruhe von Karsamstag, an dem wir das leere Kreuz und das verschlossene Grab wahrnehmen. Das Gefühl, den Menschen verloren zu haben, der uns so große Hoffnung geschenkt hat. Aushalten zu müssen, dass wir – heute – zwar wissen, was kommt, aber die Zeit füllen müssen, bis wir wieder vor Freude jubeln und lachen können.
Und dann die Freude der Osternacht, die Freude der Auferstehung, dem Wunder, dass sich erfüllt, was verheißen war. Das Leben, das neu beginnt und Kreise zieht in unser Leben hinein.
All das haben wir in den letzten Tagen erlebet. So komprimiert kann man Leben wohl kaum anders wahrnehmen. Jegliches Gefühl, dass wir als Menschen kennen fokussiert sich in den Tagen, die wir jedes Jahr wieder erleben und miterleben dürfen.
In diesem Jahr vielleicht mehr als sonst, weil wir es letztes Jahr nicht miterleben konnten. Erst durch den Mangel kann die Fülle des Lebens ans Tageslicht des Ostermorgens dringen.
Frohe und gesegnete Ostern! Halleluja, Jesus lebt.
Der 2. Sonntag der Osterzeit ist alljährlich der Auftritt des „ungläubigen Thomas“. Eine zeitgemäß-unzeitgemäße Erscheinung!
Wir ungläubigen Thomasse! Viele von uns können kaum noch glauben, dass die heilige römische Kirche eine österliche Kirche ist. Dass sie eine Kirche ist, die - geprägt vom Auferstandenen - veränderungswillig, veränderungsbereit und veränderungsfähig ist!
Dem synodalen Prozess in unserm Land scheint der Wind aus den Segeln genommen!
Die Segnung von Paaren, die das Sakrament der Ehe nicht empfangen können, von Rom mit schwachen Argumenten abgelehnt! Die vermeintlichen Gralshüter des „göttlichen Rechts“ haben wieder einmal ihre Positionen behauptet: „Roma locuta – causa finita“ („Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt“)!
Die Initiatorinnen von Maria 2.0 aus der Kirche ausgetreten! Sie glauben nicht mehr daran, dass die Kirche die Weiheämter für Frauen öffnet. Und sie geben sich nicht damit zufrieden, dass die Kirche ein paar Dezernentinnen-Posten für Frauen bereitstellt (immerhin!).
Die ökumenische Gastfreundschaft? Von Rom abgelehnt! Begründung: zu viele Fragen offen! Wie lange eigentlich schon und wie lange noch? Was tut Rom dafür, dass offene Fragen endlich eine Antwort finden? Zugegeben, es kann und muss sie nicht alleine finden! Aber wo sind die römische initiativen?
Der quälend lange Prozess der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals!
Da ist wenig von österlichem Aufbruch zu spüren!
Da sind viele von uns wie Thomas: „Bevor wir keine Veränderung sehen, glauben wir nicht!“ Wer kann das verdenken? Da wäre es schon schön, wenn einer hereinkäme, wie Jesus damals, der zu Thomas sagt: „Streck deine Finger aus – hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ Kleine, aber glaubwürdige Zeichen für eine bewegliche, österlich bewegte Kirche, sie wären so wichtig!
Ein (vielleicht für manche schwacher) Trost: Wir müssen nicht an die Kirche glauben! Das fordert auch nicht das Glaubensbekenntnis. Wir müssen nur glauben, dass es so etwas wie Kirche geben kann und geben muss, mit all ihren Grenzen und Schwächen.
Da halte ich es mit Heinrich Böll: „Unter Christen ist Barmherzigkeit wenigstens möglich, und hin und wieder gibt es sie: Christen; und wo einer auftritt, gerät die Welt in Erstaunen. 800 Millionen Menschen auf dieser Welt haben die Möglichkeit, die Welt in Erstaunen zu setzen. Vielleicht machen einige von dieser Möglichkeit Gebrauch. Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen. […] Ich glaube an Christus, und ich glaube, dass 800 Millionen Christen auf dieser Erde das Antlitz dieser Erde verändern könnten. Und ich empfehle es der Nachdenklichkeit und Vorstellungskraft der Zeitgenossen, sich eine Welt vorzustellen, auf der es Christus nicht gegeben hätte. Ich glaube, dass eine Welt ohne Christus selbst die Atheisten zu Adventisten machen würde.“
Die Kirche ist nicht der Grund unseres Osterglaubens! Der Grund ist der, der ganz unvermutet durch die Türe kommt und uns zeigt, dass er lebt. Und er gibt auch heute Zeichen! In vielen Christinnen und Christen, die überall auf der Welt, auch vor unserer Haustüre, Zeugnis von ihrer österlichen Hoffnung ablegen. Sie sind Kirche! Österliche Kirche! Die verfasste Kirche sollte darauf achten, dass sie ihnen genug Raum bietet - und Luft zum Atmen lässt! Mein Trost dabei: Der Auferstandene lässt sich nicht ausschließen – von nichts und niemand!
Rolf Glaser
Von Ralf Albensoeder
Die letzte Zeit hat mich die Wut gepackt. Die Kirche soll dem Vorbild Jesu den Menschen nah sein und dann das:
Es hat wieder den Eindruck „Roma loquta, causa finita“, Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt, als die Antwort auf die Frage, ob Segnungen gleichgeschlechtlicher Beziehungen möglich sei, ein „NEIN“ war.
Gott sei Dank ist die Sache nicht erledigt!
Dankbar lese ich Äußerungen wie die von unserem Bischof Georg: "Ein Dokument, das sich in seiner Argumentation so eklatant einem Erkenntnisfortschritt theologischer und humanwissenschaftlicher Art verschließt, wird dazu führen, dass die pastorale Praxis darüber hinweggehen wird".
https://bistumlimburg.de/beitrag/viele-werden-durch-kirche-verletzt/
Über Jahrhunderte entwickelte sich erst ein Verständnis von Partnerschaft und Sexualität und muss sich weiterentwickeln, da Wissenschaft und das das Leben uns viele neue Erkenntnisse bringt, an die vor hundert oder fünfzig Jahren niemand gedacht hat.
Deshalb ist der „synodale Weg“ in Deutschland so wichtig. Bei allem Wissen darum, dass bei weitem nicht alle Teilkirchen der Welt so denken – man kann um der Menschen Willen nicht ewig warten.
Deshalb gibt es auch so viele Reaktionen in Deutschland, von der Regenbogenfahne der LGBT Bewegung vor Kirchen bis zu öffentlichen Widerspruch: 200 Theologen haben sich ziemlich eindeutig für Segnungsfeiern ausgesprochen - 2000 Seelsorger*innen habe erklärt, dass sie segnen werden und es gibt viele andere Reaktionen, die zeigen, dass viele Menschen unsere Kirche bei manchen Fragen nicht mehr Rom folgen wollen, sondern Gespräche und Veränderung fordern.
Stellungnahmen verschiedener Gremien des Bistums können Sie hier lesen
https://bistumlimburg.de/beitrag/reaktionen-auf-rom/
In dem großen Feld, dass auch im synodalen Weg aufgegriffen wird, gehört auch im Weiteren, die prinzipielle Frage nach Segnung für die, die nach geltendem Kirchenrecht nicht gesegnet werden dürften, z.B. wenn wiederverheiratete Geschiedene eine neue Liebensbeziehung gefunden haben und um den Segen Gottes bitten.
Dann lese ich im Petrusbrief: Wir sollten segnen um Segen zu erlangen 1 (Petr. 3.8) und denke daran: Wo die Liebe wohnt, da wohnt Gott. Und wir sollen und dürfen nicht segnen?
Am vergangenen Mittwoch gedacht die Kirche des Heiligen Oscar Romero, dem Erzbischof von El Salvador. An diesem Tag vor 41 Jahren wurde er von der Mititärdiktatur während der Predigt erschossen. Ein Million Menschen waren bei der der Beisetzung damals am Palmsonntag gekommen, um ihn als Kämpfer für Gerechtigkeit und Reformen zu ehren. Von Romero stammen diese weisen Worte:
"Wenn viele Menschen sich bereits von der Kirche entfernt haben, dann ist das darauf zurückzuführen, dass die Kirche sich zu weit von der Menschheit entfernt hat. Eine Kirche aber, die die Erfahrungen der Menschen als ihre eigenen verspürt, die den Schmerz, die Hoffnung, die Angst aller, die sich freuen oder leiden, am eigenen Leib verspürt, diese Kirche wird zum gegenwärtigen Christus."
Aktueller denn je!
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Kar- und Osterzeit.
Bild: Oscar Romero aus. Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon.